Stellungnahme der IG Wagenleben zum Antrag der FDP auf Durchsetzung der Räumung von ungenehmigten baulichen Anlagen/ Bauwägen im Außenbereich
Da das Leben in Tiny Houses in den kommunalen und regionalen planungsrechtlichen Vorgaben grundsätzlich nicht vorgesehen ist, entwickelten verschiedene Kommunen in den vergangenen Jahren bereits eigene baurechtliche Konzepte, die diese Wohnformen, sei es im Innenbereich oder im Außenbereich, ermöglichen.
Im Laufe der letzten Jahre wurden von verschiedenen Vereinen aus Witzenhausen, die in der IG Wagenleben zusammengeschlossen sind, Konzepte entwickelt, in denen ökologisch verträgliche und offene Wohnformen in TinyHouses in Verbindung mit pädagogischen, gärtnerischen oder kulturellen Aktivitäten ausgearbeitet sind. Wir sind davon überzeugt, dass wir durch diese Projekte zum Entstehen eines vorbildlichen, zukunftsorientierten und regenerativen Agroforst- und Obstgartengürtels um die Kernstadt Witzenhausen beitragen können.
Entsprechend wurde im September 2020 von der Stadtverordnetenversammlung beschlossen, dass im Rahmen einer Machbarkeitsstudie geprüft werden soll, inwieweit Kleinstsiedlungsgebiete, die auch das Leben und Wohnen in TinyHouses ermöglichen, am Uni-Standort Witzenhausen planungsrechtlich umzusetzen sind und inwieweit sich Witzenhausen mit einem Bebauungsplankonzept für Tiny-Houses als Modellkommune etablieren kann. Dieses Vorgehen wurde von einer Mehrheit der Abgeordneten unterstützt und es wurde sich darauf geeinigt, weitere Schritte nach Abschluss der Machbarkeitstudie zu besprechen.
Der von der FDP eingebrachte Antrag steht nun ohne Zweifel im Widerspruch zu der Beschlussfassung vom 1.9.2020, in der auch der Stopp sämtlicher Verfahren der Bauaufsicht bis zu einer Entscheidung der Stadt erläutert ist.
Wir sind sehr verwundert, dass die FDP nun trotz des Beschlusses der Standverordnetenversammlung von 1.9.2020, auf der Beseitigung der bestehenden baulichen Anlagen beharrt. Die Argumente, die von der FDP aufgeführt werden um die Forderung zu begründen, kommen uns völlig haltlos vor. Auf das Argument, dass der Wolf eine Gefahr für die Menschen darstellt, wollen wir hier erst gar nicht eingehen. Das Argument, dass sich das Wild aufgrund der Nutzung von Bauwägen – und nicht etwa aufgund des Wolfes in den Wald zurückzieht – kommt uns genauso fadenscheinig vor.
Die planungsrechtlich relevanten Themen hingegen, wie Bodenversiegelung, Umwelt- und Naturschutz, Brandschutz oder städtebauliche Vorgaben etwa hinsichtlich der Zersidelung, sollten nach Beendigung der Machbarkeitsstudie mit allen beteiligten Akteuren, d.h insbesondere auch mit uns – der IG Wagenleben – diskutiert werden, um gemeinsame Lösungen zu erarbeiten. Als nächsten Schritt hoffen wir deshalb, baldmöglichst in einen Austausch über die Ergebnisse der Machbarkeitsstudie einbezogen zu werden. Grundsätzlich sollte die Stadtverordnetenversammlung die Verfahrensweise entsprechend des bereits gefassten Beschlusses vom 1.9.2020 verfolgen und den diesem völlig entgegenstehenden Antrag der FDP, mindestens zum aktuellen Zeitpunkt, ablehnen.
Obgleich die aktuellen Flächennutzungspläne und Bebauungspläne im Moment keinen Raum für unsere Projekte bieten, ist es nun an der Stadtverordnetenversammlung, die planungsrechtlichen Voraussetzungen zu schaffen. Damit agiert diese keinesfalls im „rechtsleeren“ Raum – die Bauaufsicht des Werra-Meißner-Kreises wartet auf eine entsprechende Entscheidung der Stadt.
Aufgrund der besonderen baurechtlichen Herausforderungen, die bei der Umsetzung solcher Nutzungskonzepte bestehen, hängt die Verwirklichung also stark vom politischen Willen der Gemeinde und vom Handeln der Verwaltung ab. Es ist nicht nur baurechtlich möglich, sondern auch eine besondere Chance zur Etablierung eines lebendigen und nachhaltig genutzten Agroforst-Obstbaumgürtels um die Kernstadt Witzenhausen, der bundesweiten Modellcharakter hätte.
Wir hoffen sehr, dass sich die entsprechenden Akteur*Innen der Stadt Witzenhausen auf einen gemeinsamen, konstruktiven Prozess zur Umsetzung dieser zukunftsorientierten Nutzungskonzepte einlassen.
Konkret fordern wir, das die Machbarkeitsstudie veröffentlicht wird um einen Raum für Gespräche mit ALLEN Beteiligten zu öffnen. Erst danach sollte die Stadtverordnetenversammlung entscheiden. Der Antrag der FDP zum jetzigen Zeitpunkt muss abgelehnt oder vertagt werden!
Die IG Wagenleben versteht sich als Zusammenschluss unterschiedlicher Menschen, deren Gemeinsamkeit das Interesse der Existenz alternativer Wohnformen in und um Witzenhausen ist. Die aktuellen sozialen und ökologischen Herausforderungen sind eng miteinander verknüpft, etwa hinsichtlich des individuellen und gesellschaftlichen Ressourcenverbrauchs und der Flächenversiegelung. Um diesen Konflikten entgegenzuwirken zu können, muss die Entwicklung neuer Formen des Zusammenlebens auch und vor allem außerhalb klassischer Wohnformen, und damit auch außerhalb bestehender Verteilungs- und Abhängigkeitsstrukturen erprobt werden. Die IG sieht es daher als wichtige Verantwortung, neben Reflektion und Reduktion des eigenen Verbrauches auch die praktische Entwicklung ressourcenschonender Wohnformen zu fördern, und im Rahmen von Workshops, Seminaren, etc. mit Interessierten zu teilen.
Kontakt: IG-Wagenleben@riseup.net